Gefährlich schöne Vulkane
3 05 2013Vulkane faszinieren mich seit jeher. Sie sind fast immer in herrliche Berglandschaften eingebettet, die eine absolute Augenweide sind. Aber immer lauert die Gefahr.
Indonesien ist das Zuhause von etwa 150 aktiven Vulkanen. Ich begebe mich in drei dieser wundervollen Vulkanlandschaften, wobei jeder Vulkan seine eigene Geschichte hat…
Mount Merapi
„Merapi“ ist indonesisch, heißt übersetzt „Feuerberg“, und das völlig zu Recht: Seit Jahren gilt der Merapi als einer der aktivsten und gefährlichsten Vulkane der Welt. Und hier wollten wir (zwei Franzosen und ich) wandern gehen… jedoch nicht ohne professionelle Begleitung! Unser Guide Christian ist so was wie der „Mister Merapi“ und hat den Berg nach eigener Aussage schon mehr als 1000-mal bestiegen. Wahrscheinlich kennt er ihn besser als seine Frau.
In Christians Zimmer entdeckte ich zahlreiche Trophäen, die er für seine Arbeit als Vulkanologe erhielt. Besonderen Stolz ließ er jedoch nicht erkennen. Vielmehr verfinsterte sich seine Miene, als er von den letzten Großeinsätzen im Evakuierungsteam erzählte. 2010 kosteten mehrere Ausbrüche des Merapis 324 Menschen das Leben. Knapp 30 Dörfer wurden zerstört. Aha, und hier würden wir also wirklich wandern gehen?! Christian beteuerte uns jedoch, dass das Überwachungsteam einen Ausbruch sehr genau voraussagen kann, wie auch 2010. Damals sollten 2 Tage vor der schwersten Eruption seit 100 Jahren alle Menschen aus der Gefahrenzone evakuiert werden. Jedoch gab es Dorfbewohner, die der festen Überzeugung waren, der Vulkan würde ihr Dorf niemals zerstören, denn das war trotz vielfacher Ausbrüche zu ihren Lebzeiten ja auch noch nie passiert. So wurden manche Menschen gegen ihren Willen mit Militärgewalt auf Lastwagen getragen und in sichere Orte abtransportiert. Einige Uneinsichtige gingen der Evakuierung aus dem Weg, indem sie sich in den Bergen versteckten. Erst als die Lava mit bis zu 150 km / h Richtung Tal floss, wurden sie eines Besseren belehrt…
Es lohnte sich also bei der Sicherheitseinweisung vor der Wanderung aufmerksam zuzuhören. Da in diesen Tagen kleinere Eruptionen erwartet wurden, war die Alarmstufe nahe dem Gipfel auf 3 von 4 möglichen Stufen (Bereitschaft zur Evakuation!) gesetzt und eine Gipfelbesteigung leider nicht möglich. Dennoch erlebten wir den Sonnenaufgang am Fuße des Vulkans und lauschten weiteren interessanten Geschichten rund um den Feuerberg.
Mount Bromo
Ich laufe durch eine Landschaft, die ich so noch nie gesehen habe. Natürlich habe ich das nicht, schließlich bin ich zum ersten Mal am Mount Bromo. Dennoch erinnert mich hier wenig an Mutter Erde. In Büchern gesehene Bilder von anderen Planeten schwirren mir durch den Kopf. Befinde ich mich auf dem Jupiter? Oder auf dem Mond? Aus der Ferne höre ich das Knattern von Motorrädern. Motorräder auf dem Mond? Es muss doch die Erde sein! Dennoch fühlt es sich an wie ein Traum, der aufgrund der Zeit um 4:30 Uhr morgens auch nicht so unwahrscheinlich wäre. Die Umgebung des Mount Bromo wirkt wie eine sonderbare Mondlandschaft, eines jeden Wanderers Traum. Bald geht die Sonne auf, hinter einer Hügelkette und über Wolken, die einen unendlich großen See aus Sand und Vulkanasche bedecken. Doch noch stehe ich inmitten dieser Wolken. Und noch immer höre ich den Lärm der Motorräder.
Die Pracht des Mount Bromo zieht Massen an. Und viele Menschen wählen den bequemsten Weg, der hier wie folgt aussieht: Motorräder fahren zum Fuß des Berges, um den Menschen einen 45-minütigen Marsch durch diese wunderbare Landschaft zu ersparen. Am Fuße des Berges angekommen, wird der faule Genießer weiterhin bestens verwöhnt. Es warten Scharen von Pferden, auf deren Rücken der Weg bergauf bewältigt werden kann. Natürlich wird dem zahlenden Touristen auch die Wahl zwischen verschiedenen Varianten angeboten: Es gibt noch einen besonderen Aussichtspunkt, der 90 Minuten Fußweg bedeuten würde. Viel zu weit für 99 % aller Besucher! Also stehen Jeeps bereit, die die Massen zum Aussichtspunkt fahren. Pferde, Motorräder, Jeeps, … ich bin mir sicher, in ein paar Jahren werden die Menschen per Helikopter verhätschelt. Als ich versuche, einigen der Einheimischen klarzumachen, dass ich keines der Angebote wählen werde, habe ich das Gefühl, etwas ganz Sonderbares zu tun. Laufen? Ja, meine mir gegebenen Füße benutzen und laufen!
Auf dem Aussichtspunkt angekommen, ist man einer von Hunderten, die sich alle um den besten Platz für den Blick zum Sonnenaufgang bemühen. Begleitet wird dieser einzigartige Moment sowohl von lauten Aaahs und Ooohs als auch vom Quatschen oder wahlweise Kreischen der Menschen, die somit ihre Bewunderung für das Gesehene ausdrücken wollen. Nein, danke. Um diese herausragende Szenerie auch wirklich genießen zu können, gehe ich lieber meinen eigenen Weg, weg von den Massen. Durch einige Lücken in der Wolkendecke entdecke ich das Blitzlichtgewitter, das vom Aussichtspunkt auf den Mount Bromo hinabzielt. Ich bin glücklich, die Magie des Augenblicks in der Stille genießen zu können, abgesehen vom Dröhnen vereinzelter Motorräder in der Ferne…
Kawah Ijen
Mit der Besichtigung der genannten Vulkane war jeweils ein frühes Erwachen verbunden: Tolle Blicke des Sonnenaufgangs konnten dies entschädigen. Am Kawah Ijen ist der Sonnenaufgang nichts Besonderes, trotzdem klingelt mein Wecker wieder um 3:15 Uhr. Tagsüber wäre der Vulkan zu gefährlich, die Schwefelbelastung im Krater bei Sonnenschein zu hoch. Deshalb legen die Arbeiter ihre Arbeit hier auch schon vor 12 Uhr nieder. Arbeiter… an einem Vulkan? Ja, am Kawah Ijen befindet sich eine der größten Schwefelminen der Welt.
Auf dem 3 km langen Weg hinauf zum Vulkankrater treffe ich einen der Arbeiter. Unserem gemeinsamen Wortschatz entsprechend unterhalten wir uns jeweils zu einem Drittel auf Englisch, Indonesisch sowie mit unseren Händen. Adi ist 32 Jahre alt, hat 2 Kinder und einen Job, der mich entsetzt. Gemeinsam mit Adi wage ich mich hinab in den Krater, in dem sich ein hoch säurehaltiger Kratersee (pH-Wert unter 0,3) befindet, von manchen Geologen auch als „größtes Säurefass der Welt“ bezeichnet. Direkt daneben sehe ich schon von Weitem die giftigen Schwefelwolken aufsteigen. Dort unten befindet sich also Adis Arbeitsstätte.
Der Abstieg in den Krater, 800 m entlang eines riskanten Fußwegs über Stock und Stein, ist für Touristen eigentlich gesperrt… wegen vulkanischer Aktivitäten und der Schwefelbelastung zu gefährlich. Im Gegensatz zu meinem Aufenthalt von einigen Minuten, baut Adi hier allerdings seit 9 Jahren Schwefel ab! Zwei Ladungen täglich schafft er, so wie alle Arbeiter hier. Sein Verdienst hängt davon ab, wie viele Kilogramm Schwefel Adi für den insgesamt 4 km langen Rückweg schultern kann. Pro Kilogramm erhält er 800 Rupien, was etwa 6 Cent entspricht… Am Tag verdient Adi somit bis zu 12 Euro, was für indonesische Verhältnisse eher überdurchschnittlich ist. Der Preis der Gesundheit, der hier von allen Arbeitern gezahlt wird, ist dennoch um ein Vielfaches höher.
Noch während des Abstiegs laufen Adi und ich einige Meter durch eine leichte Schwefelwolke, die in den Himmel steigt. Ich sage ihm, er solle gefälligst durch sein kleines blaues Tuch atmen, um sich wenigstens etwas zu schützen. Adi lächelt nur und atmet ein, ohne Tuch. Unten am Kratersee, direkt neben der Schwefelmine, höre ich immer wieder das Husten der Arbeiter. Manchmal durchdringen auch laute Schreie den Nebel… immer dann, wenn der Wind wechselt und die Arbeiter sich gegenseitig vor den hochgiftigen Gasen warnen.
Adi sagt, er selbst schaffe „nur“ etwa 90 kg, die er zwei Mal am Tag den Krater hinauf- und auf der anderen Seite wieder hinabbuckelt. Ich bin fassungslos, als ich die komplett schwarzen Schultern eines Arbeiters sehe, der gerade rastet. Adi zeigt auf einen seiner stärksten Kollegen, der bis zu 120 kg schultern kann. „Kuat sekali“ („starke Männer“) werden die Arbeiter am Kawah Ijen von den Anwohnern respektvoll genannt. Ich versuche selbst einmal, einen der mit gelbem Schwefel beladenen Körbe anzuheben. Kaum möglich. Mehrere Kilometer tragen? Unvorstellbar.
Ein (von anderen Bloggern erstelltes) absolut sehenswertes Video über den Krater des Kawah Ijen gibt es hier zu bestaunen: